Experten und Prominente. Bin ich leider nicht.

Ich hatte ja auf Twitter schon angekündigt, dass am Samstag ein Kommentar von mir in der taz erscheinen sollte, bezüglich des Streits der Woche mit dem wirklich guten Thema „Sollen Männer Feministen sein?“. Was mir am meisten an der Fragestellung gefiel war das „Sollen“ (nicht „dürfen“), also schrieb ich einen Kommentar dazu und schickte ihn an die taz.

Keinen halben Tag später bekam ich direkt eine Antwort, der Kommentar wäre super und die taz wolle ihn sehr gerne abdrucken (wenn auch mit kleinen Kürzungen, die aber von mir bewilligt wurden). Dafür würden sie gerne meinen Wohnort, meinen Beruf und ein Foto von mir haben.

Ich schickte also ein Bild hin, nannte meinen Wohnort und erklärte, dass ich vorraussichtlich ab Oktober Geschichte und Philosophie studieren werde. Heute kam eine Mail zurück, die mich ein wenig wütend machte:

Hallo Frau W.,

es tut mir wirklich leid, aber ich muss Ihnen mitteilen, dass wir Ihren
Kommentar doch nicht abdrucken können. Dies hat selbstverständlich keine
Qualitätsgründe (der Kommentar hat uns sehr gefallen), sondern liegt
daran, dass wir diesmal von Experten und Prominenten außergewöhnlich
viele Pro-Antworten zur Streifrage bekommen haben. Einen Leserbrief
können wir aus Platzgründen nicht mehr unterbringen.

Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür und werden unsere Artikel und
Streitfragen auch in Zukunft kommentieren, denn der Austausch mit
unseren Lesern liegt uns am Herzen.

Mit freundlichen Grüßen
S. G.

Also habe ich Herrn G. eine Mail zurückgeschickt.

Hallo Herr G.,

ich finde es sehr schade, dass die Redaktion sich offenbar dazu entschieden hat, meinen Kommentar nicht abzudrucken. Dabei geht es weniger um die Tatsache, dass es sich um einen von mir geschriebenen Kommentar handelt, als darum, dass es offenbar wichtiger ist, „Experten“ und „Prominente“ zu diesem Thema zu befragen, als die Leser_Innen.
Mich stört daran, dass der Streit der Woche ja eigentlich dazu gedacht ist, auch diejenigen, die die taz lesen, zu Wort kommen zu lassen – das löst sich in diesem Fall leider auf und ich hoffe, dass dies nicht in der Regel vorkommt.
Wenn ich wollte, könnte ich mich gewiss auch als „Expertin“ verkaufen, immerhin beschäftige ich mich seit etwa 8 Jahren mit Feminismus als Randthema und seit 2 Jahren sehr intensiv, habe einen feministischen Blog (https://regenbogenmaschine.wordpress.com), wo ich feministische mit Alltagsthemen verbinde und bewege mich in der Netzfeministischen Szene, aber da ich keinen Zettel vorweisen kann, auf dem „Expertin in Sachen Feminismus“ steht, hatte ich mich dazu entschlossen, Ihnen nur die Informationen zu geben, die Sie haben wollten.
Wie gesagt, mich wurmt weniger die Tatsache, dass mein eigener Text nicht erscheinen wird, als diejenige, dass Sie schreiben, dass keiner der Leser_Innenbriefe erscheinen wird, weil sich zu viele Menschen, die offensichtlich einen „Experten“-Status haben, sich zu Wort gemeldet haben.
Ich hoffe, dass Sie bei dem nächsten Streit der Woche, bei dem sich überwiegend „Prominente und Experten“ melden, sich weniger um den Status als um die Qualität der Texte kümmern, denn ich sehe keinen Grund, einen qualitativ hochwertigen Text aus der Kommentarsammlung zu streichen, nur weil er nicht von jemandem geschrieben wurde, di:er vorweisen kann, dass si:er sich mit dem Thema auskennt.

Ich möchte Sie noch darüber informieren, dass ich in meinem Blog über diesen Mailwechsel berichten werde, weil mir dieses Thema wichtig ist.

Mit freundlichen Grüßen und ein schönes Wochenende Ihnen,
J.W.

ich weiß nicht, ob ich darauf eine Antwort erhalten werde, aber ich bin gespannt. Hier ist auf jeden Fall der taz-Kommentar, den ich geschrieben habe:

Sollen Männer Feministen sein?

Ich bin einmal beim Herumsurfen auf einen Test gestoßen, zu dem ich leider den Link nicht mehr parat habe. Er trug den Titel „Bist du Feminist?“ und bestand aus genau zwei Fragen.

1. Findest du, dass alle Menschen die gleichen Rechte verdienen?

2. Sind Frauen Menschen?

Das war der komplette Test und das ist letztlich auch der Kern der Sache. Feminismus bedeutet nicht „Männerhass“ oder (wie so gern im Internet behauptet wird) die „Herrschaft der Frau über den Mann“ (einmal bitte kurz 10 Sekunden über das Wort „Herrschaft“ nachdenken, danke).

Ein großes Problem ist, dass Feministinnen (TM) von vielen Männern (TM) nicht ernst genommen oder verhöhnt werden. Bezeichnet sich aber ein Mann als Feminist, so wird er in den Himmel gelobt, dass er sich für Frauenrechte einsetzt. Dieses Beispiel zeigt meiner Ansicht am besten, wo das Problem liegt. Frauen werden offensichtlich auch in „Frauenthemen“ nicht ernst genommen. Was es noch wichtiger macht, Männern zu erklären, was es eigentlich damit auf sich hat und sie zu Verbündeten zu machen. Gute Texte zum Thema finden sich unter http://antiprodukt.de/category/feminismus-101/, gut zusammengefasst, was „Feminismus“ heutzutage eigentlich ist. Denn viele haben immer noch Alice Schwarzer bei diesem Wort im Hinterkopf, aber diese Art von Feminismus ist längst überholt.

(Dierekt dazu: ich halte nicht sonderlich viel von Alice Schwarzer. Ihre zweigeschlechtliche Denkweise finde ich zu altbacken).

Die taz hatte den Artikel etwas gekürzt, sodass das Ergebnis wie folgt aussah:

Ein großes Problem ist, dass Feministinnen (TM) von vielen Männern (TM)
nicht ernst genommen oder verhöhnt werden. Bezeichnet sich aber ein Mann
als Feminist, so wird er in den Himmel gelobt, dass er sich für
Frauenrechte einsetzt. Dieses Beispiel zeigt meiner Ansicht nach am
besten, wo das Problem liegt. Frauen werden offensichtlich auch in
"Frauenthemen" nicht ernst genommen. Was es noch wichtiger macht,
Männern zu erklären, was es eigentlich damit auf sich hat und sie zu
Verbündeten zu machen. Vielen Menschen ist überhaupt nicht klar, was
„Feminismus“ heutzutage eigentlich ist. Sie haben bei diesem Wort immer
noch Alice Schwarzer im Hinterkopf, aber diese Art von Feminismus ist
längst überholt

Die Link-Geschichten wurden gestrichen, weil es sich um die Print-Ausgabe handeln sollte und die Links nicht sonderlich sinnvoll erschienen. Was für mich auch in ordnung ist. Letztlich geht es darum, dass es sich ja nicht nur um Netzfeminismus sondern um Feminismus im Allgemeinen handelt.

Jedenfalls bin ich gespannt, ob die taz weiterhin sich um „Experten“ bemüht, oder ob sie sich vielleicht nächste Woche dazu entscheidet, auch „Nichtexperten“ zu Wort kommen zu lassen.

EDIT 18. Oktober 2012: Ich habe am 21. 9.12 eine Antwort erhalten und es bisher leider verpasst, sie zu posten. Das hole ich hiermit nach, weil ich die taz-Redaktion nicht in einem komplett bescheuerten Licht darstehen lassen möchte 😀

 

Liebe Frau W.,

ich bin die zuständige Redakteurin, S. G. ist Praktikant. Ich bin daher die richtige Ansprechpartnerin für Ihren Ärger und Ihre Kritik.

Offenbar gibt es ein Missverständnis: Im Streit der Woche fragen wir Experten und Prominente gezielt an, uns die Frage, die wir stellen, zu bejahen oder zu verneinen und dies auch zu begründen. Zudem nehmen wir in der Regel einen der eingehenden Leserbriefe mit auf die Seite der Printausgabe. 

Der Streit zur Frage "Sollen Männer Feministen sein?" war ziemlich schwierig zu stemmen, denn natürlich haben fast alle eine Meinung dazu, wenn es um die Begründungen geht, wird es indes dünn. Am Ende jedenfalls war es so, dass die Angefragten auf die Ja-Seite drängten und wir auf der Nein-Seite Löcher hatten. Deshalb mussten wir plötzlich Leserkommentare für die Nein-Seite nehmen und Ihren, der ja auf die Ja-Seite gehört, runter nehmen. Ich maile Ihnen anbei die pdf, damit Sie sehen, was ich meine. 

Ich wollte Ihren Beitrag eigentlich unbedingt haben, aus mehreren Gründen: 
- weil sie jung sind
- weil sie eine Feministin sind
- weil sie in Ihrem Kommentar deutlich machten, dass der Alice-Schwarzer-Feminismus nicht stellvertretend für Feminismus steht, sondern eine von vielen - wie Sie sagen sogar "überholte" - Richtung des Feminismus ist.

Am Ende war es aber so, dass wir die bestellten Texte, die für die Ja-Seite eintrafen, nehmen mussten. Die, die uns freiwillig zuflogen, wie der Ihre, konnten wir dann nicht nehmen. 

Ich finde das auch blöde. Das sage ich jetzt nicht, um gut Wetter zu machen, sondern weil ich es so meine. Aber ich werde mir auf jeden Fall Ihre Kontaktdaten merken, denn vielleicht gelingt es mir wieder einmal, eine feministische Streitfrage im Kollegium durchzuboxen und dann werde ich Sie anfragen und dann kommt der Beitrag auch in die gedruckte Ausgabe der taz. 

Ich hoffe, ich kann mit diesen Ausführungen Ihre Verägerung ein wenig dämpfen.

Herzliche Grüße
W. S.

 

Über Trans- und Inter- und Homo- und Heteronormativität

Ich gestehe: ich freue mich ja schon, dass in den etwas „mainstreamigeren“ Medien, die ich so konsumiere (taz und so), die Theme „Transgender“ und „Intersexualität“ langsam aber allmälig ankommen (wobei Transgender deutlich mehr beachtung geschenkt wir, als Intersexualität). Das wäre vor zehn (und wahrscheinlich auch vor fünf) Jahren undenkbar gewesen.

Was mich nicht so sehr freut ist die Tatsache, dass diese Themen insbesondere im Bildungsbereich praktisch gar nicht erläutert werden. Das Ende des Sex hat einen schönen Kommentar mit Link zu einer Studie über Sexismus in Biologie-Schulbüchern bereitgestellt (mit dem Hinweis, dass es in Frankreich schon Schulbücher mit Unterrichtseinheiten zum Thema „Mann oder Frau werden“ gibt, auch wenn Konservative dagegen protestieren).

In meinem eigenen Biologieunterricht in der Mittelstufe war das Maximum, das uns erwartete, ein kurzer Vortrag über Homosexualität (so nach dem Motto „Ja, manchml verlieben sich Mädchen in Mädchen und Jungs in Jungs, aber das ist ja eher selten, gibt’s auch bei Tieren, ist also völlig normal. Zurück zum eigentlichen Thema: Schutz vor ungewollter Schwangerschaft“). Das war in der neunten Klasse (also als meine Mitschüler_Innen und ich eindeutig in einem Alter waren, in dem wir über Trans- und Intersexualität aufgeklärt werden sollten, einfach auch, weil wir körperlich so weit entwickelt waren, dass Trans- und Intersexuelle sich ohne die nötige Aufklärung und zugedröhnt mit Werbung und Bildern von „schönen“, heteronormativen Menschen einfach hassen mussten). Ich persönlich hatte angefangen, mit etwa im Alter von 14 Jahren mich mit dem Thema auseinander zu setzen, war aber zu schüchtern, um mich öffentlich im Bio-Unterricht darüber aufzuregen, dass nicht darüber gesprochen wurde.

Später dann, in der Oberstufe, sprachen wir in Bio über „zuviele“ und „zu wenige“ Chromosomen (zum Beispiel Menschen mit dem Chromosomenbild XXY), gingen aber sehr wenig auf die sexuelle Identität, wie sich diese Menschen dabei fühlen, ein, sondern sprachen fast nur über die Auswirkungen im Körper (trotzdem fand ich es nice, dass meine Lehrerin das Thema anschnitt. ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Lehrplan stand, und es gibt locker auch genug andere Beispiele, an denen mensch chromosomale Veränderungen erklären kann (Down Syndrom zum Beispiel)). Im Englischunterricht sprachen wir über „Gender Roles“ – vielleicht ein Fortschritt, vielleicht ein Rückschritt. Einige Menschen in meinen Kursen hatten Ansichten, über die ich am liebsten geweint hätte. Auch hier: kein Wort zu Trans, geschweige denn zu Inter (übrigens auch nichts über Homosexualität, es ging meines Wissens nach meistens um die „Feminismus gegen Maskulinismus“-Debatte (als ob Feminismus die Herrschaft der Frau* über den Mann*“ bedeutete), im Sinne von „weiße cisgender Frau* will Karriere machen, ist aber schwanger, was tun?“ Im großen und ganzen waren diese Themen in der Schule eine Enttäuschung für mich, weswegen ich mich meistens hinter meinem Gameboy verschanzte und lieber Pokemon spielte.

Was ich auch bemerkenswert finde: In der Oberstufe wird über Geschlechterrollen gesprochen (naja, zumindest ein bissen). In der Mittelstufe nicht. Emanzipation (oder wenigstens die Diskussion darüber) nur für Menschen mit Abitur oder was?

Wenn wir in einer Gesellschaft leben möchten in der ALLE Menschen gleiche Rechte haben, müssen wir über die Unterschiede aufgeklärt werden und nicht nur über das, was „gleich“ sein soll. In Argentinien ist jetzt ein Gesetz beschlossen worden (OHNE Gegenstimme, wohl gemerkt!), welches es jedem Menschen ermöglicht, sein_ihr Geschlecht selbst zu bestimmen. Ohne Geschlechtsangleichung, sogar ohne jahrelange Therapie. Nur „wie es jede Person fühlt“. Inklusive gratis Urkundenänderungen sowie Kostenübernahmepflicht für Geschlechtsangleichungen bei Krankenkassen. Und dann wird immer gesagt, Europa und die USA seien in Sachen Menschenrechte Südamerika um Längen vorraus. Jaja. Gewiss.

Sprachzerstörer/in

Ich bin letztens bei einem Blogpost von Fefe über dieses Firefox-Add-on gestolpert.

Soweit ich es richtig verstanden habe, filtert dieses kleine Programm Websites nach – Achtung – sprachlichen geschlechtlchen Angleichungen und löscht diese gegebenenfalls für den_die Leser_In (ich glaube, es nutzt nur die „/In“-Variante, also müsste dieser Eintrag trotzdem gegendert gelesen werden. HAH!)

Aber.. ist es wirklich notwendig, ein Programm zu schreiben, das die mühsam in den Text (und in den Kopf der schreibenden Person) eingepflanzten Gender-Anpassungen wieder rauszufiltern? Tut es so weh zu sehen, dass sich die Sprache weiterentwickelt? Das ist meines Wissens nach das häufigst genannte Argument GEGEN den Zusatz „/in“, „_In“, „*In“ etc. („Das verhunzt die deutsche Sprache!“) Dabei hat Sprache das schon immer gemacht. Sprache ist ein Prozess und entwickelt sich ständig weiter. Wär doch langweilig, wenn wir immer noch so reden würden, wie unsere Großeltern. Oder deren Großeltern. Oder Martin Luther (nicht King, der andere. Der mit den Thesen).

Wir hätten solche Worte wie Öpve nicht.